Erbrechen nach Arzneimittelgabe – Nachdosieren ja oder nein?
Bei Kindern kann es nach einer Arzneimitteleinnahme häufig zum Erbrechen kommen. Gründe dafür können beispielsweise der schlechte Geschmack eines Medikaments, vorbestehende Übelkeit, Schmerzen oder Angst sein. Wann sollte nachdosiert werden?
Nach Garnemark et al. 2025 sollten bei der Risiko-Nutzen-Analyse einer Nachdosierung folgende Aspekte berücksichtigt werden:
Erläuterung/Beispiele: Eine wiederholte Dosis Midazolam mit dem Risiko einer doppelten Dosis kann bei der Indikation Sedierung schädlich sein, bei der Indikation Epilepsie jedoch vertretbar. Eine akute Einzeldosis sollte tendenziell eher erneut verabreicht werden als eine Teildosis einer Dauertherapie. Für einen erheblichen Nutzen der Nachdosierung spricht, wenn eine zu geringe Dosis den Behandlungserfolg gefährden oder es zu einer Entzugssymptomatik kommen könnte. Bei einigen Medikationen kann über das Messen von klinischen Parametern (z.B. Blutdruck, Temperatur, Puls oder Schmerzen) der Anteil des aufgenommenen Wirkstoffes abgeschätzt werden.
a. Können Bestandteile des Medikaments im Erbrochenen festgestellt werden? Falls ja, wie viel?
b. Wie ist die therapeutische Breite des Wirkstoffes?
c. Wie schnell / langsam wird das Medikament freigesetzt und resorbiert?
Nur wenn die gesamte Darreichungsform im Erbrochenen gefunden wird, kann davon ausgegangen werden, dass kein Wirkstoff aufgenommen worden ist (nicht möglich bei Säften!). Bei Wirkstoffen mit geringer therapeutischer Breite ist bei Nachdosierungen das Risiko für Nebenwirkungen erhöht. Bei Medikamenten, die einmal täglich verabreicht werden, ist eine Nachdosierung eher angezeigt als bei Therapien mit mehrmals täglicher Gabe.
Die Grunderkrankung und das Alter des Kindes als auch Fülle und Inhalt des Magens beeinflussen die Geschwindigkeit der Magenpassage und damit wie schnell die Arzneimittelresorption erfolgt. Falls Wirkstoffspiegel für die Entscheidung der Nachdosierung bestimmt werden, sollten die pharmakokinetische Parameter (Tmax, cmax, T1/2) des Wirkstoffes für eine korrekte Interpretation der Spiegel berücksichtigt werden.
Für 40 Wirkstoffe hat eine schwedische Expertengruppe aus den Bereichen Pädiatrie, klinische Pharmakologie und Pharmazie Handlungsempfehlungen für die Frage der Nachdosierung entwickelt:
Handlungsempfehlungen nach Erbrechen [zusammengefasst nach Garnemark et al. 2025]:
| Zeit zwischen Medikamenteneinnahme und Erbrechen | Nachdosieren: JA oder NEIN? |
| < 15 min | i.d.R. JA NEIN z.B. bei: - retardierten Darreichungsformen von Nifedipin, Tacrolimus, Oxycodon, Valproinsäure (ggf. auf schnellfreisetzende Darreichungsform wechseln) - Aktivkohle, Bosentan, Digoxin, Warfarin |
| 15 - 30 min | Individuelle Entscheidung JA mit 100% der Dosis z.B. bei: Antibiotika, Corticosteroide, Desloratadin, Ibuprofen, Paracetamol JA mit 50% der Dosis z.B. bei: Beta-Blocker*, Nifedipin*, Sildenafil, Mycophenolatmofetil, Tacrolimus*, Phenobarbital, Valproinsäure*, Levetiracetam *als schnell freisetzende Darreichungsform |
| 30 – 60 min | i.d.R. NEIN JA z.B. bei: Antibiotika, Corticosteroide, Desloratadin |
| > 60 min | i.d.R. NEIN |
Die gesamten Handlungsempfehlungen für alle 40 Wirkstoffe finden sich hier.
Wie kann ein erneutes Erbrechen verhindert werden?
Um einem wiederholten Erbrechen bei der nächsten Arzneimitteleinnahme vorzubeugen, sollten folgende Möglichkeiten bedacht werden [nach Garnemark et al.]:
- Was war der Grund für das Erbrechen des Kindes? Ist dies ein neu aufgetretenes Problem oder kam es schon öfter vor?
- Bei Erbrechen aufgrund Angst und Stress sollte eine sichere ruhige Atmosphäre für das Kind geschaffen werden.
- Eltern sollten durch Fachpersonal in der korrekten Verabreichung der entsprechenden Darreichungsform geschult werden.
- Ältere Kinder können in die Entscheidung einbezogen werden, ob eine Tablette oder ein Saft mit einem bestimmten Geschmack präferiert wird. Tabletten können gegebenenfalls auch schon für Kinder jünger als 4 Jahr geeignet und tolerierbarer als Säfte sein.
- Bei flüssigen Darreichungsformen kann das einzunehmende Volumen durch die Wahl einer höheren Konzentration verringert werden.
- Bei Problemen beim Schlucken einer Tablette können diese überzogen werden, um den Geschmack zu maskieren.
- Falls ein Patient trotz optimierter Einnahmebedingungen unter Übelkeit und Erbrechen leidet, kann die Gabe eines Antiemetikum als Prämedikation in Betracht gezogen werden.
Referenzen
1. Garnemark, C.A. et al., If a Child Vomits After an Oral Medication—Should We Re-Dose or Not? Acta Paediatr. 114: 2506-2510 (2025). https://doi.org/10.1111/apa.70121
2. Oberhofer, E. Nach Medikamentengabe gespuckt - was tun?. Pädiatrie 37, 10–11 (2025). https://doi.org/10.1007/s15014-025-5766-4
3. Buchheit-Gusmao, M., Arzneimittel nach Erbrechen nachdosieren. Deutsche Apotheker Zeitung, (2025)
zuletzt aktualisiert am: 30.10.2025