Mercaptopurin

Wirkstoff
Mercaptopurin
Handelsname
Puri-Nethol®, Xaluprin®
ATC-Code
L01BB02

Zulassung
Dosierungsempfehlungen

Präparate
Pharmakodynamik und -kinetik
Nierenfunktionsstörungen
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Kontraindikationen
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Wechselwirkungen
Wirkstoffe der gleichen ATC-Klasse
Referenzen
Änderungsverzeichnis

Pharmakodynamik

6-Mercaptopurin ist ein inaktives Prodrug, das als Purinagonist zytotoxisch wirkt, nachdem es zellulär aufgenommen und aktiviert wurde.

Pharmakokinetik bei Kindern

Kinder und Jugendliche [Ref.]

Die Bioverfügbarkeit von oral verabreichtem 6-Mercaptopurin zeigt eine beträchtliche interindividuelle Schwankungsbreite. Nach der Gabe einer Dosis von 75 mg/m² Körperoberfläche bei sieben Kindern und Jugendlichen betrug die durchschnittliche Bioverfügbarkeit 16 %. Schwankungsbreite ( 5 bis 37 %)

Nach oraler Verabreichung von 75 mg/m² 6-Mercaptopurin an 14 Kinder mit akuter lymphatischer Leukämie wurde die Tmax nach 2,2 Stunden mit einem Bereich von 0,5 bis 4 Stunden erreicht.

Die mittlere relative Bioverfügbarkeit von 6-Mercaptopurin war etwa 26 % niedriger nach der Verabreichung mit einer Mahlzeit bzw. Milch im Vergleich zu Fasten über Nacht. 6-Mercaptopurin ist in Milch aufgrund der Gegenwart von Xanthin-Oxidase instabil.

Verteilung: Die Konzentrationen von 6-Mercaptopurin in der Cerebrospinalflüssigkeit (CSF) sind gering oder vernachlässigbar nach intravenöser oder oraler Verabreichung. Die Konzentrationen im Liquor sind nach intrathekaler Verabreichung höher.

Clearance:  719 (+/– 610) ml/min/m².
T1/2:  0,9 (+/– 0,3) Stunden.

Zulassung der Dosierungsempfehlungen

  • Onkologische Erkrankungen
    • oral
      • zugelassen*

 *zur Induktions- und Erhaltungstherapie bei akuter lymphatischer Leukämie (ALL)

  • Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED)
    • oral
      • off-label

Auszug aus Fachinformation Auszug aus Fachinformation

Textauszug aus Fachinformation

OralTabletten zur Induktions- und Erhaltungstherapie bei akuter lymphatischer Leukämie (ALL) bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern.

  • Dosierung: 2,5 mg/kg KG pro Tag oder 50 – 75 mg/m² der KOF pro Tag in Abhängigkeit von der Art und Dosierung der anderen in Verbindung mit 6-Mercaptopurin verabreichten Zytostatika

[Ref.]

OralSuspension zur Induktions- und Erhaltungstherapie bei akuter lymphatischer Leukämie (ALL) bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern.

  • Dosierung: 25 – 75 mg/m² KOF pro Tag
  • bei Patienten mit reduzierter oder fehlender Aktivität des Enzyms Thiopurinmethyltransferase sollte die Dosis niedriger sein

[Ref.]

Präparate im Handel

Orale Anwendung

Tabletten

Präparate im Handel (ausgewählte Beispiele):

Präparate Arzneiform Stärke Problematische Hilfsstoffe Anwendungshinweis Aroma
Puri-Nethol® Tabletten 50 mg T1 Lactose Einnahme mit oder ohne eine Mahlzeit und zur gleichen Tageszeit, vorzugsweise abends – Patient sollte Art der Anwendung nicht ändern / Einnahme nicht mit Milch oder Milchprodukten (ein Abstand von mindestens 1 Stunde vor oder 2 Stunden danach ist einzuhalten) / Einnahme mit Flüssigkeit - -
Mercaptopurin – Medice®  Tabletten 10 mg T0, M0
Lactose - -
 Xaluprine® Suspension zum Einnehmen 20 mg/ml Aspartam
Phenylalanin
Suspension ist vor Anwendung mindestens 30 Sekunden kräftig zu schütteln Himbeer-Aroma 



T1: nur teilbar zur erleichterten Einnahme, T0: nicht teilbar, M0: nicht mörserbar

Anwendungshinweise:

  • Für die Handhabung und Entsorgung sind entsprechende Vorschriften für zytotoxische Mittel zu beachten.
  • Beim Umgang sollen Betreuungspersonen Schutzmaßnahmen einhalten (z.B. Hände nach Kontakt waschen), um Haut, Augen, Nasen- und Mundschleimhautkontakt zu vermeiden.
  • Frauen, die schwanger sind, eine Schwangerschaft planen oder stillen, sollten Mercaptopurin nicht handhaben.
  • Zermösern von Tabletten darf nur von fachkundigem Personal unter entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen (z.B. Schutzkleidung, Laminar-Air-Flow) durchgeführt werden.
    • Fertige Pulvermischung ist genau für den Patienten zu dispensieren und z.B. in nicht vollständig geschlossene Hartgelatinekapseln zu verpacken und abzugeben.
  • Bei Umstellung von Tablette auf Suspension und umgekehrt ist zu beachten, dass die Darreichungsformen in Bezug auf die maximale Plasmakonzentration nicht bioäquivalent sind, so dass während des Wechsels eine verstärkte hämatologische Überwachung empfohlen wird. 

Lieferengpässe/weitere praktische Informationen

Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)

Dosierungsempfehlungen

Onkologische Erkrankungen
  • Oral
    • 0 Jahre bis 18 Jahre
      [3]
      • Achtung:
        Dosis und Dosisfrequenz von Zytostatika hängen von der Erkrankung ab und sind stark neuen Erkenntnissen unterworfen. Zytostatika werden in der Onkologie/Hämatologie oftmals in Kombination verwendet. Aus diesem Grunde wird auf die detaillierten Behandlungsprotokolle verwiesen.

        Als Hinweis wird folgende Dosierung des Herstellers angeführt: 2,5 mg/kg/Tag oder 50-75 mg/m2/Tag

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED)
  • Oral
    • 1 Monat bis 18 Jahre
      [2]
      • 1 - 1,5 mg/kg/Tag in 1 Dosis
      • off-label

Nierenfunktionsstörungen bei Kindern > 3 Monate

GFR ≥10 ml/min/1.73m2: Dosisanpassung nicht erforderlich.

GFR <10 ml/min/1.73m2: Eine allgemeine Empfehlung zur Dosisanpassung kann nicht gegeben werden.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Kindern

Bei an ALL erkrankten Kindern, die mit 6-Mercaptopurin behandelt werden, wurden Fälle von symptomatischer Hypoglykämie berichtet. Die berichteten Fälle traten in der Mehrzahl bei Kindern unter sechs Jahren oder mit einem niedrigen Body-Mass-Index auf. [Ref.]

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen allgemein

Folgende UAW wurden sehr häufig, häufig oder gelegentlich beobachtet (≥0,1 %):

  • Bakterielle und virale Infektionen, Infektionen, die mit Neutropenie in Verbindung stehen
  • Knochenmarkssuppression, Leukopenie, Thrombozytopenie, Anämie
  • Arthralgie, Hautausschlag, Arzneimittelfieber
  • Übelkeit, Erbrechen, Prankreatitis, orale Ulzerationen
  • Leberstauung
  • Anorexie

Folgende schwerwiegende UAW wurden zudem selten, sehr selten (<0,1 %) oder mit unbekannter Häufigkeit beobachtet:

  • Sekundäre Leukämie und Myelodysplasie, hepatosplenisches T-Zell-Lymphom, Neoplasien, Sarkome
  • Gesichtsödem
  • hepatische Nekrose
  • Hypoglykämie bei Kindern

[Ref.]

Die vollständige Auflistung aller unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Kontraindikationen allgemein

Neben Überempfindlichkeiten gegen den Wirkstoff oder einen sonstigen Bestandteil sind keine weiteren Gegenanzeigen bekannt.

[Ref.]

Die vollständige Auflistung aller Kontraindikationen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein

  • Eine Immunisierung mit Lebendimpfstoffen kann bei immunsupprimierten Patienten zu einer Infektion führen. Die Immunisierung mit Lebendimpfstoffen wird daher bei Patienten mit ALL oder AML nicht empfohlen.
  • Aufgrund der Knochenmarksuppression muss während der Remissionseinleitung das Blutbild häufig überwacht werden. Während der Erhaltungsphase ist eine regelmäßige Kontrolle des Blutbildes einschließlich der Zahl der Thrombozyten durchzuführen. Bei höherer Dosierung oder bei schweren Nieren- und/oder Leberfunktionsstörungen sind die Untersuchungen häufiger durchzuführen. Nach einem Wechsel zwischen verschiedenen Darreichungsformen von 6-Mercaptopurin
    wird eine verstärkte hämatologische Überwachung des Patienten empfohlen.
  • 6-Mercaptopurin ist hepatotoxisch, und während der Therapie sollten wöchentlich Leberfunktionsprüfungen, einschl. Gamma- Glutamyl-Transferase (GGT), durchgeführt werden. Bei Patienten mit präexistierenden Lebererkrankungen oder bei gleichzeitiger Verabreichung anderer hepatotoxischer Präparate sind häufigere Kontrollen angezeigt.
  • Wegen eines während der Remissionsinduktion schnell eintretenden Zellzerfalls sollten die Harnsäurewerte im Blut und Urin kontrolliert werden, da sich eine Hyperurikämie und/oder Hyperurikosurie mit dem Risiko einer Harnsäurenephropathie entwickeln könnte.
  • Patienten mit einer angeborenen Thiopurin- Methyltransferase (TPMT)-Defizienz können ungewöhnlich empfindlich gegenüber der myelosuppressiven Wirkung von 6-Mercaptopurin und damit anfälliger für das schnelle Auftreten einer Knochenmarksdepression nach einer Therapieeinleitung mit 6-Mercaptopurin sein. Dieses Problem könnte durch Begleitmedikationen wie Arzneimittel, die Olsalazin, Mesalazin oder Sulfasalazin enthalten, die TPMT hemmen, verstärkt werden.
  • Bei Patienten mit angeborenen, mutierten NUDT15-Gen besteht bei herkömmlichen Dosen einer Thiopurin-Therapie ein erhöhtes Risiko für eine schwere 6-Mercaptopurin- Toxizität, wie eine frühe Leukopenie und Alopezie. Bei diesen Patienten ist im Allgemeinen eine Dosisreduktion erforderlich, insbesondere bei den Patienten, die homozygote Träger der NUDT15-Variante sind.
  • Es besteht in der Regel eine Kreuzresistenz zwischen 6-Mercaptopurin und 6-Thioguanin.
  • Vorsicht wird bei der Verabreichung von 6-Mercaptopurin bei Patienten mit eingeschränkter Nieren- und/oder Leberfunktion empfohlen. Es sollte eine Verringerung der Dosierung bei diesen Patienten in Betracht gezogen werden, und das hämatologische Ansprechen sollte sorgfältig überwacht werden.
  • Das Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) ist eine bekannte, lebensbedrohliche Erkrankung, die bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen auftreten kann, insbesondere bei jenen mit entzündlicher Darmerkrankung (nicht zugelassene Indikation). Ärzte sollten auf Symptome für Infektionen mit Pathogenen wie EBV und Zytomegalievirus (CMV) achten, da diese bekannte Auslöser -eines MAS sind.
  • Mit 6-Mercaptopurin behandelte Patienten sind gegenüber Sonnenlicht empfindlicher. Die Exposition gegenüber Sonnenlicht und UV-Licht sollte begrenzt sein, und den Patienten ist zu empfehlen, schützende Kleidung zu tragen und ein Sonnenschutzmittel mit hohem Lichtschutzfaktor zu verwenden.
  • Patienten, die an der seltenen angeborenen Galactoseintoleranz, einer vollständigen Laktase- Defizienz oder Glucose-Galaktose- Malabsorption leiden, sollten dieses Arzneimittel nicht einnehmen.

[Ref.]

Die vollständige Auflistung aller Warnhinweise ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Wechselwirkungen

Die standardisierte Wechselwirkungsrecherche des Kinderformulariums hat folgende klinisch relevante Wechselwirkungen ergeben:

Interaktionspartner Grund Handlungsempfehlung
Myelosuppressiva (z.B. Ribavirin, Clozapin) Erhöhtes Risiko für myelosuppressive Wirkungen (z.B. Anämie, Leukopenie). Kombination vermeiden.  Falls Kombination nicht vermieden werden kann, muss das Blutbild besonders engmaschig überwacht werden. 
Allopurinol Kombination kann zu einem erhöhten Plasmaspiegel von Azathioprin führen. Das Risiko für UAW steigt.  Bei Kombination muss die Dosis von Azathioprin um ca. 70% reduziert werden.
Aminosalicylate (z.B. Mesalazin, Sulfasalazin) Erhöhtes Risiko für myelosuppressive Wirkungen (z.B. Anämie, Leukopenie). Sorgfältige Überwachung bei gleichzeitiger Anwendung notwendig. 
Methotrexat Verstärkte Hepato- und Hämatotoxizität. Bei Kombination soll die Dosis von Azathioprin angepasst werden, um UAW zu vermeiden.
Lebendimpfstoffe (z.B. MMR-Impfstoff, Rotaviren-Impfstoff) Dissemination des Impfkeims und beeinträchtigte Immunantwort möglich. Kombination vermeiden. Die Impfung kann 3 Monate nach Absetzen von Azathioprin erfolgen. 
Antikoagulanzien (z.B. Warfarin, Phenprocoumon) Senkung des antikoagulativen Effektes möglich.   Bei Kombination muss die Dosis von Antikoagulanzien erhöht werden. 

 

Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen und einschlägigen Wechselwirkungsdatenbanken zu entnehmen.

ANTIMETABOLITEN

In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.

Purin-Analoga

Clofarabin

Evoltra®
L01BB06

Nelarabin

Atriance®
L01BB07

Tioguanin

Lanvis, Thioguanin
L01BB03
Pyrimidin-Analoga

Fluorouracil + Salicylsäure

Verrumal®, Verrucutan®, Actikerall®; Syn: FU; weiterer ATC-Code: D11AF55
L01BC52

Gemcitabin

GEMCI-cell®, Gemedac®
L01BC05

Referenzen

  1. Rademaker C.M.A. et al, Geneesmiddelen-Formularium voor Kinderen [Arzneimittel-Formularium für Kinder], 2007
  2. Turner D, et al., Management of pediatric ulcerative colitis: joint ECCO and ESPGHAN Evidence-Based Consensus Guidelines, JPGN, 2012, 55(3), 340-61
  3. GlaxoSmithKline BV, SPC Puri-Nethol (RVG 00589), www.cbg-meb.nl, 02/2019, www.cbg-meb.nl
  4. Aspen, SmPC Puri-Nethol 50mg Tabletten (6102083.00.00), 09/2017
  5. MEDICE, SmPC Mercaptopurin 10mg Tabletten (64742.00.00), 10/2017
  6. Nova, SmPC Xaluprine 20mg/ml Suspension zum Einnehmen (EU/1/11/727/001), 07/2017

Änderungsverzeichnis

Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)


Überdosierung