Tilidin + Naloxon

Wirkstoff
Tilidin + Naloxon
Handelsname
Valoron®, Tilicomp beta
ATC-Code
N02AX51

Zulassung
Dosierungsempfehlungen

Präparate
Pharmakodynamik und -kinetik
Nierenfunktionsstörungen
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Kontraindikationen
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Wechselwirkungen

Überdosierung
Wirkstoffe der gleichen ATC-Klasse
Referenzen
Änderungsverzeichnis

Pharmakodynamik

Tilidin ist ein Prodrug mit schwacher Opioidwirkung. Die eigentliche Wirksubstanz ist Nortilidin. Naloxon ist ein reiner Opioid-Antagonist ohne agonistische Wirkung. Die Kombination aus Tilidin und Naloxon soll unter Beibehalten der analgetischen Wirkung das Missbrauchspotenzial vermindern. Das Mischungsverhältnis ist dabei so gewählt, dass der Naloxon-Zusatz die analgetische Wirkung von Tilidin nicht beeinträchtigt. Bei Verwendung unzulässig hoher Dosen durch Opiatabhängige gelangt aber so viel Naloxon in den Organismus, dass ein Abstinenzsyndrom hervorgerufen werden kann.

Pharmakokinetik bei Kindern

Es sind keine spezifischen Informationen für Kinder vorhanden.

Zulassung der Dosierungsempfehlungen

  • Starke Schmerzen
    • oral
      • ≥2 Jahre bis <18 Jahre: zugelassen

Auszug aus Fachinformation Auszug aus Fachinformation

Textauszug aus Fachinformation

Oral zur Behandlung starker und sehr starker Schmerzen

Tilidin darf Kindern unter 2 Jahren nicht gegeben werden, da keine ausreichenden Erfahrungen vorliegen.

Kinder unter 14 Jahren erhalten bis zu viermal täglich 0,5 mg Tilidinhydrochlorid/kg Körpergewicht (< 20 kg Körpergewicht) bzw. 0,7 mg Tilidinhydrochlorid/kg Körpergewicht (> 20 kg Körpergewicht), wobei als Einzeldosis nicht weniger als 7,5 mg Tilidinhydrochlorid gegeben werden sollten.

Erwachsene und Jugendliche ab 14 Jahren nehmen bis zu sechsmal täglich 20 bis 40 Tropfen (ein Tropfen enthält ca. 2,5 mg Tilidinhydrochlorid) ein. Die Tagesdosis kann, je nach Schmerzstärke und individuellem Ansprechen auf die Behandlung, zwischen 100 mg und maximal 600 mg Tilidinhydrochlorid liegen.

[Ref.]

Präparate im Handel

Tropfen zum Einnehmen 50 mg/4 mg
Retardtabletten 50 mg/4 mg, 100 mg/8 mg, 150 mg/12 mg, 200 mg /16 mg

Allgemein

Tilidin unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG Anlage III (zu § 1 Abs. 1)), ausgenommen in festen Zubereitungen mit verzögerter Wirkstofffreigabe, die ohne einen weiteren Stoff der Anlagen I bis III je abgeteilte Form bis zu 300 mg Tilidin, berechnet als Base, und, bezogen auf diese Menge, mindestens 7,5 vom Hundert Naloxonhydrochlorid enthalten.

Präparate im Handel (ausgewählte Beispiele):

Präparat Darreichungsform Stärke als Tilidin-HCl/Naloxon-HCl Applikationsweg Natriumgehalt Problematische Hilfsstoffe Altersangabe
Tilidin AbZ Tropfen zum Einnehmen (Flasche mit Dosierpumpe) 50 mg/4 mg pro 0,72 ml (≙ 20 Tropfen oder 4 Hübe)
1 Hub ≙ 12,5 mg Tilidin-HCl
1 Tropfen ≙ 2,5 mg Tilidin-HCl
oral natriumfrei Benzoesäure, Sulfite ab 2 Jahren
Tilidin comp. STADA® Tropfen zum Einnehmen 50 mg/4 mg pro 0,72 ml (≙ 20 Tropfen)
1 Tropfen ≙ 2,5 mg Tilidin-HCl
oral natriumfrei Ethanol ab 2 Jahren
Tilidin comp. STADA® Retardtabletten 50 mg/4 mgT0
100 mg/8 mgT0
150 mg/12 mgT0
200 mg/16 mgT0
oral k.A. - ab 14 Jahren
ab 14 Jahren
ab 14 Jahren
ab 18 Jahren


T0: nicht teilbar, k.A.: keine Angabe, „natriumfrei“: weniger als 1 mmol Natrium (23 mg) pro Einheit

Die Fachinformationen wurden am 21.04.2022 aufgerufen.

Neben den aufgeführten Präparaten befinden sich diverse Generika im Handel.

Lieferengpässe/weitere praktische Informationen

Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)

Dosierungsempfehlungen

Starke Schmerzen
  • Oral
    • 2 Jahre bis 14 Jahre und < 20 kg
      [1] [2]
      • Tilidin-HCl / Naloxon-HCl: 0,5 / 0,04 mg/kg/Dosis, max. 4 x täglich

    • 2 Jahre bis 14 Jahre und ≥ 20 kg
      [1] [2]
      • Tilidin-HCl / Naloxon-HCl: 0,7 / 0,056 mg/kg/Dosis, max. 4 x täglich

    • 14 Jahre bis 18 Jahre
      [1] [2] [3]
      • Tilidin-HCl / Naloxon-HCl: 50 / 4 mg – 100 / 8 mg/Dosis, max. 6 x täglich

      • Ein schnellfreisetzendes Präparat kann bei Bedarf auf ein Retardpräparat umgestellt werden. Die Tagesdosis sollte dann auf 2 Dosen aufgeteilt werden.

Nierenfunktionsstörungen bei Kindern > 3 Monate

Keine Informationen zur Dosisanpassung bei Nierenfunktionsstörung vorhanden.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen allgemein

Sehr häufig (>10 %): zu Behandlungsbeginn Übelkeit und Erbrechen, die bei weiterer Behandlung nur noch häufig bis gelegentlich oder selten vorkommen

Häufig (1-10 %): Schwindel, Benommenheit, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Nervosität, Diarrhoe, Abdominalschmerz, vermehrtes Schwitzen

Gelegentlich (0,1-1 %): Somnolenz

Häufigkeit nicht bekannt: Halluzinationen, Verwirrtheitszustand, euphorische Stimmung, Tremor, Hyperreflexie, Klonus, Arzneimittelabhängigkeit, Arzneimittelentzugssyndrom

Die vollständige Auflistung aller unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Kontraindikationen allgemein

  • Abhängigkeit von Opiaten (Heroin, Morphin) oder Opioiden wegen der Gefahr einer akuten Entzugssymptomatik
  • andere Abhängigkeitserkrankungen
  • Patienten mit Porphyrie
  • ausgeprägte Leberinsuffizienz (z. B. hochgradige Leberzirrhose)

Die vollständige Auflistung aller Kontraindikationen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein

Für allgemeingültige Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen informieren Sie sich bitte in den aktuellen Fachinformationen.

Wechselwirkungen

Tilidin wird über CYP3A4- und CYP2C19-Enzyme in den wirksamen Metaboliten Nortilidin umgewandelt und dann zum inaktiven Metaboliten Bisnortilidin abgebaut.

Interaktionspartner Grund Handlungsempfehlung
Sedierende Substanzen z.B. Benzodiazepine, Z-Substanzen, Narkotika,
Alkohol, 4-Hydroxybutansäure

additive ZNS-dämpfende Wirkung, erhöhtes Risiko von Sedierung, Atemdepression


Alternativen wählen, alkoholfreie Arzneimittel bevorzugen, bei Kombination Dosis und Dauer möglichst niedrig und kurz wählen, Monitoring auf unerwünschte Wirkungen.
Bei Narkotisierung kann eine additive Wirkung therapeutisch erwünscht sein.
Opioid-Agonisten mit antagonistischen Eigenschaften z.B. Buprenorphin, Nalbuphin kompetitive Blockade der Opioid-Rezeptoren, Risiko einer verminderten Opioid-Wirkung Kombination nicht empfohlen.
Opioid-Antagonisten z.B. Naltrexon



verminderte Opioid-Wirkung, Risiko eines Entzugssyndroms



Kombination nicht empfohlen.
Ausnahme: Naloxon ist Fertigpräparaten so zugemischt, dass es das Missbrauchspotential vermindert ohne die Analgesie oder zu vermindern oder ein Entzugssyndrom auszulösen (in den zulässigen Dosen).
CYP3A4-Inhibitoren
CYP2C19-Inhibitoren
z.B. Voriconazol
Hemmung der Bildung und Elimination des aktiven Metaboliten Nortilidin, Beeinflussung der Wirksamkeit und Verträglichkeit

Monitoring auf eine verstärkte Opioid-Wirkung und unerwünschte Arzneimittelwirkungen


Serotonerge Arzneimittel z.B. SSRI, SNRI, TCA

additive serotonerge Wirkung, erhöhtes Risiko eines Serotonin-Syndroms;
additive Wirkung auf Krampfschwelle, erhöhtes Risiko für Krampfanfälle
Monitoring auf unterwünschte Arzneimittelwirkungen

Phenprocoumon Abfall des Quick-Werts, Mechanismus unbekannt Kontrolle der Blutgerinnungswerte bei Therapiebeginn und -ende


Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen und einschlägigen Wechselwirkungsdatenbanken zu entnehmen.

OPIOIDE

In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.

Natürliche Opium-Alkaloide

Hydromorphon

Palladon®, Jurnista®
N02AA03

Morphin

Capros®, Morphanton®, Oramorph®, Sevredol®, Substitol®
N02AA01

Oxycodon

Oxyconoica®, Oxygesic®
N02AA05
Phenylpiperidin-Derivate

Fentanyl - transdermal/nasal

Durogesic®, Matrifen®, Instanyl®, Pecfent®
N02AB03

Pethidin

Dolantin®, Dolcontral®
N02AB02
Diphenylpropylamin-Derivate

Piritramid

Dipidolor®
N02AC03
Oripavin-Derivate

Buprenorphin

Temgesic®, Norspan®, Transtec®
N02AE01
Morphinan-Derivate

Nalbuphin

Nalpain®, Nubain®
N02AF02
Andere Opioide

Tramadol

Tramal®, T-long®, Tramagit®
N02AX02

Referenzen

  1. Pfizer Pharma PFE GmbH , SmPC Valoron N, Tropfen zum Einnehmen, Lösung (16.00.00), 08/2020
  2. STADAPHARM GmbH, SmPC Tilidin comp. STADA® 50 mg/4 mg pro 0,72 ml Tropfen zum Einnehmen, Lösung (39220.00.00), 07/2020
  3. STADAPHARM GmbH, Tilidin comp. STADA® 50mg/4 mg Retardtabletten (58613.00.00), 07/2020
  4. AbZ-Pharma GmbH, SmPC Tilidin AbZ Tropfen 50 mg/4 mg Tropfen zum Einnehmen, Lösung (35058.00.00), 09/2020

Änderungsverzeichnis

  • 30 Mai 2022 17:29: Neue Monographie

Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)


Überdosierung

Symptome: Schwindelgefühl, Benommenheit, Übelkeit, Erbrechen, Ataxie, psychomotorische Unruhe, Hyperreflexie, Hyperventilation, Hyperventilationstetanie, Atemdepression
Therapie: Magenspülung, Kohlegabe, Elektrolytinfusionen, Sauerstoffinhalationen, kontrollierte Beatmung.
Bei exzitatorischen Symptomen: Diazepam intravenös
Antidot: Naloxon i.v. (cave: kurze Wirkdauer)

[Ref.]