Atropin

Wirkstoff
Atropin
Handelsname
Dysurgal®
ATC-Code
A03BA01

Zulassung
Dosierungsempfehlungen

Präparate
Pharmakodynamik und -kinetik
Nierenfunktionsstörungen
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Kontraindikationen
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Wechselwirkungen
Wirkstoffe der gleichen ATC-Klasse
Referenzen
Änderungsverzeichnis

Pharmakodynamik

Atropin wirkt als kompetitiver Antagonist an muskarinischen Acetylcholinrezeptoren. Erst in sehr hoher Dosierung wird auch die Erregungsübertragung an Ganglien und an der neuromuskulären Endplatte, vermittelt über nikotinische Acetylcholinrezeptoren, gehemmt. Die wichtigsten pharmakologischen Effekte sind Tachykardie und eine verkürzte AV-Überleitung durch Hemmung der negativ chronotropen und dromotropen Wirkung des Acetylcholins am Herzen, eine Hemmung der Speichelsekretion, der Motorik und des Tonus des Magen-Darm-Traktes, eine Hemmung der Schleimsekretion und des Tonus der Bronchien, eine Hemmung des Harnblasentonus sowie am Auge eine Mydriasis und Akkommodationslähmung.

Pharmakokinetik bei Kindern

Es sind keine speziellen Informationen für Kinder vorhanden.

Zulassung der Dosierungsempfehlungen

  • Narkoseprämedikation
    • intravenös
      • ≥1 Monat bis <18 Jahre: zugelassen
    • intramuskulär
      • ≥1 Monat bis <18 Jahre: zugelassen
  • Spasmolytikum
    • oral
      • ≥1 Monat bis <2 Jahre: off-label
      • ≥2 Jahre bis <18 Jahre: zugelassen
  • Vasovagal induzierte Sinusbradykardie
    • intravenös
      • Frühgeborene bis <18 Jahre: zugelassen

  • Antagonisierung organischer Phosphatverbindungen
    • intravenös
      • ≥1 Monat bis <18 Jahre: zugelassen
    • intramuskulär
      • ≥1 Monat bis <18 Jahre: off-label
  • Antagonisierung von Parasympathomimetika
    • intravenös
      • ≥0 Jahre bis <18 Jahre: zugelassen

Auszug aus Fachinformation Auszug aus Fachinformation

Textauszug aus Fachinformation

Oral als Prämedikation

Für diese Indikation hat Atropin keine Zulassung in Deutschland.

[Ref]

Oral als Spasmolytikum

Die Dosierung ist individuell vorzunehmen.
Die Behandlungsdauer richtet sich nach dem Auftreten der Symptome.

 Kleinkinder (2-5 Jahre):

  • Einzeldosis: 0,25 mg

  • Tagesmaximaldosis:  0,75 mg verteilt auf 3 Gaben

Schulkinder (6-14 Jahre):

  • Einzeldosis: 0,5 mg 
  • Tagesmaximaldosis: 1,5 mg verteilt auf 3 Gaben

Jugendliche ab 15 Jahren und Erwachsene:

  • Einzeldosis: 0,5-1 mg

Tagesmaximaldosis: 1,5-3 mg verteilt auf 3 Gaben

[Ref]

Oral bei Vasovagal induzierter Sinusbradykardie

Für diese Indikation hat Atropin keine Zulassung in Deutschland.

[Ref]

Oral bei Antagonisierung organischer Phosphatverbindungen

Für diese Indikation hat Atropin keine Zulassung in Deutschland.

[Ref]

Parenteral als Prämedikation

Kinder:

  • i.v.: 3 bis 5 Minuten vor Narkosebeginn 0,01 mg/kg KG 
  • i.m.: 30 bis 60 Minuten vor Narkosebeginn 0,02 mg/kg KG 
  • Maximaldosis: 0,5 mg

Erwachsene:

  • i.v.: 3 bis 5 Minuten vor Narkosebeginn 0,01 mg/kg KG 
  • i.m. oder s.c.: 30 bis 60 Minuten vor Narkosebeginn 0,01 mg/kg KG

[Ref]

Parenteral als Spasmolytikum

Für diese Indikation hat Atropin keine Zulassung in Deutschland.

[Ref]

Parenteral bei Vasovagal induzierter Sinusbradykardie

Kinder:

  • i.v.: 0,01 mg/kg KG 
  • Minimaldosis: 0,1 mg
  • Maximaldosis: 0,5 mg
  • Die Dosis kann maximal 2mal nach 10 bis 15 Minuten wiederholt werden.

Erwachsene:

  • i.v. oder i.m.: 0,5-1,5 mg alle 4-6 Stunden

[Ref]

Parenteral bei Antagonisierung organischer Phosphatverbindungen

Zusätzlich zur Atropinisierung erfolgt die Gabe von Reaktivatoren der Acetylcholin-Esterase (Obidoximchlorid)!

Bei oraler Vergiftung erfolgen eine Magenspülung und die Gabe von medizinischer Kohle.

Kinder:

  • initial 0,5 bis 2 mg Atropinsulfat intravenös injiziert
  • Erhaltungsdosis entsprechend der klinischen Symptomatik.

Erwachsene:

  • initial je nach Schweregrad bis zum Rückgang der Bronchialsekretion 2 bis 5 mg Atropinsulfat alle 10 bis 15 Minuten i.v
  • Erhaltungsdosis: 0,5 bis 1 mg Atropinsulfat alle 1 bis 4 Stunden i.v.
  • In Einzelfällen können bis zu 50 mg Atropinsulfat verabreicht werden.

[Ref]

Parenteral bei Antagonisierung von Parasympathomimetika

Zusätzlich erfolgt eine Magenspülung und die Gabe von medizinischer Kohle.

Kinder:

  • entsprechend der klinischen Symptomatik intravenös 0,02-0,05 m/kg KG

Erwachsene:

  • Initial 1-2 mg i.v. oder i.m.
  • Ggf. erfolgt die Dosierung wie bei organischen Phosphate

[Ref]

Parenteral bei Gastro-/Bronchoskopien

Für diese Indikation hat Atropin keine Zulassung in Deutschland.

[Ref]

Präparate im Handel

Tabletten 0,5 mg
Injektionslösung 0,25 mg/ml, 0,5 mg/ml, 1 mg/ml, 2 mg/ml, 5 mg/ml, 10 mg/ml

Die im Handel befindlichen Präparate enthalten Atropin in Form von Atropinsulfat. Die Angabe der Wirkstoffkonzentration ist jeweils auf Atropinsulfat bezogen.

Orale Anwendung

Zur oralen Anwendung stehen Tabletten zur Verfügung. Diese können auch individuell als Rezeptur/Standardrezeptur hergestellt werden.

Präparat Stärke Problematische Hilfsstoffe Altersangabe
Dysurgal® 0,5 mgT2,M Laktose, Gelatine ab 2 Jahre
Atropinsulfat-Tabletten Standardzulassung 0,5 mg -  


T2: teilbar in zwei gleiche Dosen, M: mörserbar

Parenterale Anwendung

Zur parenteralen Anwendung stehen Injektionslösungen zur Verfügung, die subkutan, intramuskulär und intravenös angewendet werden können. Diese können auch individuell als Rezeptur/Standardrezeptur hergestellt werden.

Präparat Stärke als Atropinsulfat
Natriumgehalt Altersangabe
Atropinsulfat Aguettant 100 µg/ml
200 µg/ml
0,154 mmol (3,5 mg)/ml ab Geburt (3 kg)
nur Erwachsene
Atropinsulfat B. Braun 0,5 mg/ml 0,152 mmol (3,5 mg) Natrium/ml Kinder
Atropinsulfat-Lösung Standardzulassung 0,25 mg/ml
0,5 mg/ml
1 mg/ml
2 mg/ml
5 mg/ml
10 mg/ml
152 µmol  (3,5 mg/ml)
152 µmol (3,5 mg/ml)
152 µmol (3,5 mg/ml)
148 µmol (3,4 mg/ml)
143 µmol (3,3 mg /ml)
135 µmol (3,1 mg/ml)
-

 

Lieferengpässe/weitere praktische Informationen

Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)

Dosierungsempfehlungen

Gehe zu:

Spasmolytikum
  • Oral
    • 1 Monat bis 18 Jahre
      • 0,01 mg/kg/Dosis, bei Bedarf alle 4-6 Stunden. Maximale Einzeldosis: 0,4 mg/Dosis.
      • <2 Jahre: off-label

Vasovagal induzierte Sinusbradykardie
  • Intravenös
    • Frühgeborene, Gestationsalter < 37 Wochen
      • 0,02 mg/kg/Dosis, einmalig. Max: 1mg/Tag Maximale Einzeldosis: 0,5 mg/Dosis.
    • Neugeborene
      • 0,02 mg/kg/Dosis, einmalig. Max: 1mg/Tag Maximale Einzeldosis: 0,5 mg/Dosis.
    • 1 Monat bis 18 Jahre
      [3] [6]
      • 0,02 mg/kg/Dosis, einmalig. Max: 1mg/Tag Maximale Einzeldosis: 0,5 mg/Dosis.
Antagonisierung organischer Phosphatverbindungen
  • Intravenös
    • 1 Monat bis 18 Jahre
      [5]
      • 0,05 mg/kg/Dosis, bei Bedarf alle 10-30 min je nach Sinusrhythmus wiederholen. Maximale Einzeldosis: 2 mg/Dosis.
  • Intramuskulär
    • 1 Monat bis 18 Jahre
      [5]
      • 0,05 mg/kg/Dosis, bei Bedarf alle 10-30 Minuten je nach Sinusrhythmus wiederholen. Maximale Einzeldosis: 2 mg/Dosis.
      • off-label

Antagonisierung von Parasympathomimetika
  • Intravenös
    • Neugeborene
      • 0,2 mg/Dosis, einmalig.  Danach evtl. niedrigere Dosen je nach dem klinischen Bild.
    • 1 Monat bis 2 Jahre
      • 0,2 mg/Dosis, einmalig. Danach evtl. niedrigere Dosen je nach dem klinischen Bild.
    • 2 Jahre bis 4 Jahre
      • 0,3 mg/Dosis, einmalig. Danach evtl. niedrigere Dosen je nach dem klinischen Bild.
    • 4 Jahre bis 10 Jahre
      • 0,6 mg/Dosis, einmalig. Danach evtl. niedrigere Dosen je nach dem klinischen Bild.
    • 10 Jahre bis 18 Jahre
      • 1 mg/Dosis, einmalig. Danach evtl. niedrigere Dosen je nach dem klinischen Bild.
Prämedikation
  • Intravenös
    • 1 Monat bis 18 Jahre
      [4] [5]
      • 3-5 min vor dem Eingriff: 0,01 - 0,02 mg/kg/Dosis, einmalig. Max: 0,6 mg/Dosis.
  • Intramuskulär
    • 1 Monat bis 18 Jahre
      [4] [5]
      • 30-60 min vor dem Eingriff: 0,01 - 0,02 mg/kg/Dosis, einmalig. Max: 0,6 mg/Dosis.

Nierenfunktionsstörungen bei Kindern > 3 Monate

GFR ≥10 ml/min/1.73m2: Dosisanpassung nicht erforderlich.

GFR <10 ml/min/1.73m2: Eine allgemeine Empfehlung zur Dosisanpassung kann nicht gegeben werden.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Kindern

Hyperthermie kann bei Säuglingen und Kleinkindern aufgrund einer Hemmung der Schweißsekretion und einer zentralen Störung der Thermoregulation auch bei therapeutischen Dosierungen auftreten. [Ref]

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen allgemein

Die Nebenwirkungen von Atropinsulfat sind dosisabhängig.

Folgende UAW wurden sehr häufig, häufig oder gelegentlich beobachtet (≥0,1 %):

  • Mundtrockenheit
  • Tachykardie
  • Abnahme der Schweißsekretion (Hauttrockenheit; mögliche Folge: Wärmestau, gerötete Haut)
  • Sehstörungen infolge Mydriasis und Störung der Akkommodation

Folgende schwerwiegende UAW wurden zudem selten, sehr selten (<0,1 %) oder mit unbekannter Häufigkeit beobachtet:

  • Störungen der Darmperistaltik, Schluckstörungen und gastroösophagealer Reflux
  • supra-ventrikuläre und ventrikuläre Arrhythmien, Verkürzung der AV-Überleitung
  • Glaukomanfall
  • Sprachstörungen, Unruhe- und Erregungszuständen, Halluzinationen, Verwirrtheitszuständen, Krämpfen, Delirien und komatösen Zustände
  • Muskelschwäche und muskuläre Koordinationsstörungen
  • Miktionsstörungen

[Ref]

Die vollständige Auflistung aller unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Kontraindikationen allgemein

  • Engwinkelglaukom
  • Tachykardie bei Herzinsuffizienz und Thyreotoxikose
  • tachykarde Herzrhythmusstörungen
  • Koronarstenose
  • mechanische Verschlüsse des Magen-Darm-Traktes
  • paralytischer Ileus
  • Vorliegen von krankhaft erweiterten Dickdarmabschnitten (Megakolon)
  • obstruktive Harnwegserkrankungen
  • Myasthenia gravis
  • akutes Lungenödem

Hinweis:
Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch von Atropinsulfat als Antidot bei Vergiftungen mit direkten und indirekten Parasympathomimetika gelten die o. g. Gegenanzeigen als relative Kontraindikationen, da in diesen Fällen eine Atropin-Therapie als lebensrettend angesehen werden muss.

[Ref]

Die vollständige Auflistung aller Kontraindikationen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei Kindern

Säuglinge und Kleinkinder bis zum zweiten Lebensjahr sind besonders empfindlich gegenüber den toxischen Effekten von Atropinsulfat, ebenso Patienten mit Down-Syndrom.

Bei fiebernden Patienten, insbesondere bei Kindern und bei hoher Lufttemperatur ist bei der Anwendung von Atropinsulfat besondere Vorsicht geboten, da es rascher zu einer Hyperthermie kommen kann.

Säuglinge, Kinder und Kinder mit spastischen Lähmungen oder Hirnschäden können anfälliger für antimuskarinische Wirkungen sein.

[SmPC]

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein

  • Bei Patienten mit frischem Herzinfarkt können unter der Gabe von Atropinsulfat tachykarde Herzrhythmusstörungen bis zum Kammerflimmern auftreten.
  • Bei Patienten mit Herzinsuffizienz, Mitralklappenstenose, Hypertonie und Hyperthyreose ist Atropinsulfat vorsichtig zu dosieren, da Tachykardien vermieden werden sollten.
  • Atropin kann auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch die Sehleistung und das Reaktionsvermögen so weit herabsetzen, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr, das Bedienen von Maschinen oder das Arbeiten ohne sicheren Halt beeinträchtigt werden. Dies gilt im verstärkten Maß im Zusammenwirken mit Alkohol.

[Ref]

Die vollständige Auflistung aller Warnhinweise ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Wechselwirkungen

Interaktionspartner Grund Handlungsempfehlung
Trizyklische Antidepressiva Verstärkte anticholinerge Effekte sorgfältige Überwachung auf periphere und zentrale anticholinerge Effekte und ggf. Dosisanpassung
anticholinerge H1-Antihistaminika (Clemastin, Dimenhydrinat, Diphenhydramin, Doxylamin) Verstärkte anticholinerge Effekte Kombination möglichst vermeiden, sorgfältige Überwachung auf periphere und zentrale anticholinerge Effekte
Neuroleptika Verstärkte anticholinerge Effekte sorgfältige Überwachung auf periphere und zentrale anticholinerge Effekte und ggf. Dosisanpassung

 

Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen und einschlägigen Wechselwirkungsdatenbanken zu entnehmen.

BELLADONNA UND DERIVATE, REIN

In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.

Belladonna-Alkaloide, halbsynthetisch, quartäre Ammonium-Verbindungen

Butylscopolamin

Buscopan®
A03BB01

Referenzen

  1. Rademaker C.M.A. et al., Arzneimittel-Formularium für Kinder [Geneesmiddelen-Formularium voor Kinderen], 2007
  2. International Medication Systems Ltd., SPC Atropine (RVG 55469), www.cbg-meb.nl, Geraadpleegd 20 okt 2010
  3. de Caen AR et al., Pediatric Advanced Life Support: 2015 American Heart Association Guidelines Update for Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency Cardiovascular Care, Circulation, 2015, Nov 3;132(18 Suppl 2), S526-42
  4. Laboratoire Aguettant, SmPC Atropinsulfat Aguettant 0,1 mg/ml Inj.lsg. in Fspr. (1-36431), 10/2015
  5. Takeda, SmPC Atropinsulfat “Nycomed” 0,5 mg Amp. (3087), 08/2018
  6. Werkgroep Neonatale Farmacologie NVK sectie Neonatologie [Arbeitsgruppe Neonatale Pharmakologie der Niederländischen Vereinigung für Kinderheilkunde, Abteilung Neonatologie], Expertenmeinung, 28 Mar 2018

Änderungsverzeichnis

  • 10 November 2021 09:21: Spezifizierung der Dosierungsempfehlung für Neugeborene

Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)


Überdosierung