Lisdexamfetamin

Wirkstoff
Lisdexamfetamin
Handelsname
Elvanse®
ATC-Code
N06BA12

Zulassung
Dosierungsempfehlungen

Präparate
Pharmakodynamik und -kinetik
Nierenfunktionsstörungen
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Kontraindikationen
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Wechselwirkungen
Wirkstoffe der gleichen ATC-Klasse
Referenzen
Änderungsverzeichnis

Pharmakodynamik

Nach oraler Gabe wird Lisdexamfetamin rasch resorbiert und zu Dexamfetamin hydrolysiert, welches für die Aktivität des Arzneimittels verantwortlich ist. Bei den Amphetaminen handelt es sich um nicht zu den Katecholaminen gehörende sympathomimetische Amine mit ZNS-stimulierender Aktivität. Der Mechanismus der therapeutischen Wirkung von Amfetamin bei ADHS ist nicht vollständig aufgeklärt; es wird jedoch angenommen, dass er auf eine Blockade der Wiederaufnahme von Noradrenalin und Dopamin in das präsynaptische Neuron und eine vermehrte Freisetzung dieser Monoamine in den extraneuronalen Raum zurückzuführen ist. Das Prodrug Lisdexamfetamin bindet in vitro nicht an die für die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Dopamin verantwortlichen Stellen.

Pharmakokinetik bei Kindern

Kinder 6 - 12 Jahre:

Tmax  (nach nächtlicher Nahrungskarenz): Lisdexamfetamindimesilat 1 h, Dexamfetamin 3,8 h und (nach einer fettreichen Mahlzeit): 4,7 h
Elimination: 96 % über den Urin
T1/2: <1 h (Lisdexamfetamindimesilat), 11 h (Dexamfetamin)

Zulassung der Dosierungsempfehlungen

  • Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
    • oral
      • ≥6 Jahre bis <18 Jahre: zugelassen

Auszug aus Fachinformation Auszug aus Fachinformation

Textauszug aus Fachinformation

Oral  im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störungen (ADHS), wenn das Ansprechen auf eine zuvor erhaltene Behandlung mit Methylphenidat als klinisch unzureichend angesehen wird

Kinder unter 6 Jahre:
Darf nicht bei Kindern unter 6 Jahren angewendet werden. Sicherheit und Wirksamkeit in dieser Altersgruppe sind nicht erwiesen.

Kinder ab 6 Jahre:

Die Dosierung ist nach den therapeutischen Erfordernissen und dem Ansprechen des Patienten individuell einzustellen. Zu Beginn der Behandlung mit Lisdexamfetamin ist eine sorgfältige Dosistitration erforderlich.

Die Initialdosis beträgt 30 mg einmal täglich morgens. Wenn nach Einschätzung des Arztes eine niedrigere Anfangsdosis angemessen ist, können die Patienten die Behandlung mit einer Dosis von 20 mg einmal täglich morgens beginnen.

Die Dosis kann in ungefähr wöchentlichen Abständen in Schritten von jeweils 10 oder 20 mg erhöht werden. Elvanse ist in der niedrigsten  wirksamen  Dosierung  einzunehmen. Die  höchste  empfohlene  Dosis  beträgt  70 mg/Tag; höhere Dosen wurden nicht untersucht.

Erwachsene:

Eine Fortsetzung der Behandlung ins Erwachsenenalter kann bei Jugendlichen angemessen sein, deren Symptome bis ins Erwachsenenalter persistieren und die von der Behandlung eindeutig profitiert haben.

[Ref.]

Präparate im Handel

Hartkapseln 20 mg, 30 mg, 40 mg, 50 mg, 60 mg, 70 mg

Allgemein

Die im Handel befindlichen Präparate enthalten Lisdexamfetamin in Form von Lisdexamfetamindimesilat. Die Angabe der Wirkstoffkonzentration ist jeweils auf Lisdexamfetamindimesilat bezogen.

Lisdexamfetamin unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG Anlage III (zu § 1 Abs. 1)).

Präparat Arzneiform
Stärke Problematische Hilfsstoffe Schulungsmaterial
Elvanse® Hartkapseln 20 mg
30 mg
40 mg
50 mg
60 mg
70 mg
- Blaue Hand


Anwendungshinweis:
Die Kapseln können auch geöffnet und der Inhalt mit weichen Speisen oder Flüssigkeiten vermischt werden, diese sollten sofort aufgenommen werden.

Lieferengpässe/weitere praktische Informationen

Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)

Dosierungsempfehlungen

Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
  • Oral
    • Hartkapsel
      • 6 Jahre bis 18 Jahre
        [1] [4]
        • Initialdosis: 20 - 30 mg/Tag in 1 Dosis am Morgen.
        • Erhaltungsdosis: Je nach klinischer Wirkung und Verträglichkeit ist die Initialdosis in wöchentlichen Abständen um 10 bis 20 mg zu erhöhen. Bis zu 30 - 70 mg/Tag in 1 Dosis. Max: 70 mg/Tag.
        • Behandlungsdauer:

          Die Behandlung muss beendet werden, wenn sich die Symptome nach einer geeigneten Dosisanpassung über einen Zeitraum von einem Monat nicht bessern. Beim Auftreten einer paradoxen Verschlimmerung der Symptome oder anderer unzumutbarer unerwünschter Ereignisse muss die Dosis reduziert oder das Arzneimittel abgesetzt werden.

          Bei langfristiger Anwendung sollte mindestens jährlich der Nutzen überprüft und behandlungsfreie Zeitabschnitte, vorzugsweise in den Schulferien eingelegt werden, um das Verhalten des Patienten ohne medikamentöse Behandlung zu beurteilen.

        • Lisdexamfetamin sollte nur von fachärztlichem Personal mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendpsychiatrie oder von ärztlichem Personal mit Erfahrung in der Anwendung von Lisdexamfetamin bei Kindern und Jugendlichen angewendet werden. Die niedrigste wirksame Dosis sollte individuell bestimmt werden.

Nierenfunktionsstörungen bei Kindern > 3 Monate

Anpassung bei Nierenfunktionsstörung wie angegeben:

GFR 50-80 ml/min/1.73 m2
Eine Anpassung der Dosis ist nicht erforderlich.
GFR 30-50 ml/min/1.73 m2
Eine Anpassung der Dosis ist nicht erforderlich.
GFR 10-30 ml/min/1.73 m2
Maximal Dosis: 50 mg pro Tag
GFR < 10 ml/min/1.73 m2
Eine allgemeine Empfehlung kann nicht gegeben werden.
Bei Dialyse

Bei dialysepflichtigen Patienten sollte eine weitere Dosisreduktion erwogen werden. Lisdexamfetamin und Dexamfetamin sind nicht dialysierbar.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Kindern

  Kinder (6 bis 12 Jahre) Jugendliche (13 bis 17 Jahre)
Stoffwechsel- und Ernährungsstörungen    
verminderter Appetit ≥10% ≥10%
Psychiatrische Erkrankungen    
Schlafstörungen ≥10% ≥10%
Angst 0,1-1% 1-10%
Depression 0,1-1% 1-10%
Tic 1-10% 0,1-1%
Affektlabilität 1-10% 0,1-1%
Aggression 1-10% 0,1-1%
Erkrankungen des Nervensystems    
Kopfschmerzen ≥10% ≥10%
Schwindel 1-10% 1-10%
Unruhe 0,1-1% 1-10%
Tremor 0,1-1% 1-10%
Somnolenz 1-10% 1-10%
Herzerkrankungen    
Tachykardie 1-10% 1-10%
Palpitationen 0,1-1% 1-10%
Erkrankungen der Atemwege, des Brustraums und Mediastinums    
Dyspnoe 0,1-1% 1-10%
Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts    
Mundtrockenheit 1-10% 1-10%
Durchfall 1-10% 1-10%
Obstipation 1-10% 0,1-1%
Oberbauchschmerzen ≥10% 1-10%
Übelkeit, Erbrechen 1-10% 1-10%
Erkrankungen der Haut und des Unterhautzellgewebes    
Hautausschlag 1-10% 0,1-1%
Angioödem, Stevens-Johnson-Syndrom Häufigkeit nicht bekannt Häufigkeit nicht bekannt
Allgemeine Erkrankungen und Beschwerden am Verabreichungsort    
Reizbarkeit 1-10% 1-10%
Müdigkeit 1-10% 1-10%
Zerfahrenheit 0,1-1% 1-10%
Fieber 1-10% 1-10%
Gewichtsabnahme ≥10% ≥10%

[Ref.]

Die vollständige Auflistung aller Nebenwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen allgemein

Stoffwechsel- und Ernährungsstörungen

  • Verminderter Appetit (≥10%)

Psychiatrische Erkrankungen

  • Schlafstörungen (≥10%)
  • Agitiertheit, Angst, verminderte Libido, Affektlabilität, Psychomotorische Hyperaktivität, Zähneknirschen (1-10%)

Erkrankungen des Nervensystems

  • Kopfschmerzen (≥10%)
  • Schwindel, Unruhe, Tremor (1-10%)
  • Synkope (0,1-1%) [Ref.]

Herzerkrankungen

  • Tachykardie, Palpitationen (1-10%)
  • QTc-Intervall-Verlängerung (Häufigkeit unbekannt) [Ref.]

Erkrankungen der Atemwege, des Brustraums und Mediastinums

  • Dyspnoe (1-10%)

Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts

  • Mundtrockenheit (≥10%)
  • Durchfall, Obstipation, Oberbauchschmerzen, Übelkeit (1-10%)

Erkrankungen der Haut und des Unterhautzellgewebes

  • Hyperhidrose (1-10%)

Erkrankungen der Geschlechtsorgane und der Brustdrüse

  • Erektile Dysfunktion (1-10%)

Allgemeine Erkrankungen und Beschwerden am Verabreichungsort

  • Schmerzen in der Brust, Reizbarkeit, Müdigkeit, Zerfahrenheit, Blutdruckanstieg, Gewichtsabnahme (1-10%)

[Ref.]

Die vollständige Auflistung aller Nebenwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Kontraindikationen allgemein

  • Hyperthyreose oder Thyreotoxikose
  • Erregungszustände
  • Symptomatische Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Fortgeschrittene Arteriosklerose
  • Mittelschwere bis schwere Hypertonie
  • Glaukom

[Ref.]

Die vollständige Auflistung aller Gegenanzeigen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei Kindern

  • Wachstumsverzögerung: Körpergröße, Gewicht und Appetit sollten vor Therapiebeginn und anschließend mindestens alle sechs Monate dokumentiert werden.
  • Blutdruck und Puls sollten vor Therapiebeginn, bei jeder Dosisanpassung und mindestens alle sechs Monate in einer graphischen Darstellung dokumentiert werden.

  • Eine Beurteilung aktueller psychiatrischer Begleiterkrankungen sollte vor Therapiebeginn erfolgen. Die Entwicklung neuer oder die Verschlechterung bereits bestehender psychiatrischer Erkrankungen ist bei jeder Dosisanpassung und dann mindestens alle sechs Monate und bei jedem Kontrolltermin zu erfassen.
  • Die Patienten sollten hinsichtlich des Risikos von Zweckentfremdung, Fehlgebrauch und Missbrauch von Lisdexamfetamin überwacht werden.
  • Der Nutzen muss mindestens einmal jährlich neu bewertet werden. Dies geschieht indem der Arzt behandlungsfreie Zeiträume einlegt (vorzugsweise in den Schulferien) um das Verhalten ohne medikamentöse Behandlung zu beurteilen.

[SmPC Elvanse]

Für Lisdexamfetamin steht zusätzliches Schulungsmaterial zur Risikominimierung zur Verfügung.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein

  • Potenzial zu Missbrauch, Fehlgebrauch, Abhängigkeit und Zweckentfremdung:

    Patienten mit Drogenmissbrauch oder -abhängigkeit in der Vorgeschichte sollten Stimulanzien nur mit Vorsicht verschrieben werden.

  • Bei Patienten mit vorbestehenden psychotischen Störungen kann die Anwendung von Stimulanzien die Symptome von Verhaltens- und Denkstörungen verschlimmern.
  • Besondere Vorsicht ist bei der Anwendung von Stimulanzien zur Behandlung von ADHS bei Patienten mit bipolaren Begleiterkrankungen geboten, da bei solchen Patienten Bedenken wegen einer möglichen Auslösung eines gemischten/manischen Schubs bestehen.
  • Die Anwendung von Lisdexamfetamin verlängert bei einigen Patienten das QTc-Intervall. Es sollte mit Vorsicht angewendet werden bei Patienten mit einer Verlängerung des QTc-Intervalls, bei Patienten, die mit Arzneimitteln behandelt werden, welche das QTc-Intervall beeinflussen, und bei Patienten mit relevanter vorbestehender Herzerkrankung oder Elektrolytstörung. [Ref.]

Die vollständige Auflistung aller Warnhinweise ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

 

Wechselwirkungen

  • Ascorbinsäure und andere Substanzen, die eine Ansäuerung des Urins bewirken, steigern die Ausscheidung von Lisdexamfetamin im Urin und verkürzen dessen Halbwertszeit [1]
  • Natriumhydrogencarbonat und andere Substanzen sowie Zustände (eine Ernährung mit einem hohen Anteil an Obst und Gemüse, ferner Harnwegsinfektionen und Erbrechen), die eine Alkalisierung des Urins bewirken, vermindern die Ausscheidung von Lisdexamfetamin im Urin und verlängern dessen Halbwertszeit [1]
  • Monoaminooxidasehemmer: Lisdeamfetamin sollte während oder innerhalb von 14 Tagen nach der Gabe von Monoaminoxidasehemmern (MAO-Hemmern) nicht angewendet werden, da es sonst zu einer vermehrten Freisetzung von Noradrenalin und anderen Monoaminen kommen kann [1]
  • Serotonerge Arzneimittel: bei gemeinsamer Gabe mit serotonergen Arzneimitteln wie Selektive-Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI) kann es zu einem Serotonin-Syndrom kommen [1]

  • Amfetamine können die Wirksamkeit von blutdrucksenkenden Arzneimitteln abschwächen [1]

  • Neuroleptika (z.B. Haloperidol, Chlorpromazin): hemmen die zentral stimulierende Wirkung von Amfetaminen durch Blockade von Dopamin- und Noradrenalin-Rezeptoren [1]
  • Die anorektischen und stimulierenden Wirkungen von Amfetaminen können durch

    Lithiumcarbonat gehemmt werden. [1]

  • Linezolid: kann den hypertensiven Effekt von Lisdexamfetamin verstärken. [2]

Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

PSYCHOSTIMULANZIEN, MITTEL ZUR BEHANDLUNG DER ADHS UND NOOTROPIKA

In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.

Zentral wirkende Sympathomimetika

Atomoxetin

Strattera®
N06BA09

Dexamfetamin

Attentin®
N06BA02

Methylphenidat

Ritalin®, Medikinet®, Concerta®, Equasym retard®, Kinecteen®
N06BA04
Xanthin-Derivate

Coffein

Peyona®, Gencebok®
N06BC01

Referenzen

  1. Shire Pharmaceutical Contracts Ltd., SmPC, Elvanse 20/30/40/50/60/70 mg Hartkapseln (93471.00.00), 12/17
  2. Uptodate: UpToDate®, Pediatric Drug information: Lisdexamfetamin Lexicomp® Topic 10143 Version 164.0, accessed 01/19
  3. Gerlach M, Mehler-Wex C, Walitza S, Warnke A, Wewetzer C., Neuro-/Psychopharmaka im Kindes- und Jugendalter: Grundlagen und Therapie. , Springer-Verlag Berlin Heidelberg , 2016, 3.Auflage
  4. Shire Pharmaceuticals Ireland Limited, SmPC Elvanse (RVG 124498) 10-05-2019, www.geneesmiddeleninformatiebank.nl
  5. EMA/CMDh, PSUR Single Assessment (PSUSA) - Lisdexamfetamin, 15.10.2020, https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/PSURs/psusa/Anlagen/g-l/Lisdexamfetamin2-CMDh-Beschluss.html

Änderungsverzeichnis

  • 25 August 2020 09:29: Neuer Warnhinweis bzw. Nebenwirkung: QTc-Intervall-Verlängerung aufgenommen. (AkdÄ Drug Safety Mail | 2020–49)

Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)


Überdosierung