Propylenglykol

zurück

Stand der Information: 16.06.2023

Synonyme: C3H8O2, Propylenglycolum PhEur, Propylenglycol, E1520, Propan-1,2-diol, 1,2-Propylenglycol

Hintergrund:
Propylenglykol ist eine klare, farblose, viskose Flüssigkeit, hygroskopisch und mischbar mit Wasser [1]. Propylenglykol wird als Lösungsmittel in oralen, topischen und parenteralen Arzneimitteln verwendet, häufig für Stoffe, die in Wasser nicht gut löslich sind, z. B. Phenobarbital und Diazepam und/oder als Konservierungsstoff. Es wird auch häufig in injizierbaren Multivitamin-Konzentraten verwendet [2].

Propylenglykol wird teilweise unverändert über die Nieren ausgeschieden und teilweise in der Leber metabolisiert. In der Leber wird Propylenglykol über die Alkohol-Dehydrogenase zu Laktat, Pyruvat und letztendlich zu CO2 und Wasser verstoffwechselt [1].

Problematik:
Kinder <5 Jahre verfügen über einen unausgereiften Metabolismus (Alkoholdehydrogenase) und Kinder <1 Jahr über eine unausgereifte Nierenfunktion, sodass es zu einer Akkumulation von Propylenglykol im Körper kommen kann [2,3].

Für Neugeborene wurde eine deutlich längere Halbwertszeit im Vergleich zu Erwachsenen ermittelt (16,9 h vs. 5 h) [2]. Die renale Clearance von Propylenglykol bei Früh- und Neugeborenen ist geringer als bei Erwachsenen (15 % vs. 45 %) [3].

Bei peroraler, parenteraler, kutanter Anwendung:
Die wichtigste toxische Wirkung ist die Depression des zentralen Nervensystems [2].

Bekannte Nebenwirkungen von Propylenglykol sind [1,5,6]:

  • Hyperosmolalität, Laktatazidose
  • Nierenfunktionsstörung (akute Nierenfunktionsstörungen (akute tubuläre Nekrose), akutes Nierenversagen
  • Kardiotoxizität (Arrhythmie, Hypotonie)
  • zentrales Nervensystem (Depression, Koma, Krampfanfälle)
  • Atemdepression, Dyspnoe
  • Leberfunktionsstörung
  • hämolytische Reaktion (intravaskuläre Hämolyse) und Hämoglobinurie
  • Multisystem-Organfunktionsstörungen

Intoxikationen wurden sowohl bei oraler, parenteraler oder kutaner (auf verbrannter Haut, Windeldermatosen) beobachtet [3].

Klinische Abweichungen werden bei höheren Propylenglykolkonzentrationen (Erwachsene: 1040-1440 mg/l) konstatiert. Metabolische Abweichungen werden bei etwas niedrigeren Propylenglykolkonzentrationen (Erwachsene: 580-1270 mg/l) verzeichnet [3].

Bei peroraler Anwendung:
Propylenglykol kann aufgrund der osmotischen Wirkung einen laxierenden Effekt haben [2].

Bei topischer Anwendung:
Propylenglykol kann eine Kontaktdermatitis auslösen [2].

Empfehlungen:
Bei oraler, parenteraler und kutaner Anwendung:
Produkte, die hohe Mengen an Propylenglykol enthalten, sollten Kinder <4 Jahren nicht verabreicht werden [2].

Die folgenden Grenzwerte gelten unabhängig von der Dauer und der Art der Verabreichung als sicher [3]:

Früh- und Neugeborene (<4 Wochen) max. 1 mg/kg/Tag
≥1 Monat bis <4 Jahre max. 50 mg/kg/Tag
≥5 Jahre max. 500 mg/kg/Tag

Oben angeführte (konservative) Grenzwerte wurden durch die Europäische Arzneimittelagentur auf Basis der verfügbaren Literatur festgelegt [3,4]. Die Überschreitung der oben angeführten Grenzwerte kann in Einzelfällen unvermeidbar sein. Dies muss stets nach sorgfältiger Prüfung von Alternativen und Abwägung des Nutzens und der Risiken erfolgen.

Für die intravenöse und die orale Verabreichung gelten die gleichen Grenzwerte, da die orale Bioverfügbarkeit bei nahezu 100 % liegt. Für die inhalative Anwendung werden die selben Sicherheitsgrenzen vorgeschlagen [1].

Eine Propylenglykol-Intoxikation sollte Teil der Differentialdiagnose sein, wenn eine unerklärliche Anionenlücke, metabolische Azidose, Hyperosmolalität und/oder klinische Anomalien beobachtet werden.

Ein mögliches Monitoring kann folgende Messungen enthalten [3]:

  • Propylenglykol-Serumkonzentration
  • Osmolalität
  • Osmolare Lücke
  • Serum-Kreatinin-Konzentration, Kreatinin-Clearance
  • Laktatkonzentration im Serum
  • Serum-Bikarbonat-Konzentration

Vorsicht bei gleichzeitiger Verabreichung mehrerer propylenglykol- oder ethanolhaltiger Arzneimittel.
Vorsicht bei eingeschränkter Leber- und Nierenfunktion.

Bei kutaner Anwendung:
Keine Anwendung auf offenen Wunden, großflächiger oder beschädigter Haut (z. B. Verbrennungen) [1].

Referenzen:

1. European Medicines Agency. Questions and answers on propylene glycol used as an excipient in medicinal products for human use (EMA/CHMP/704195/2013), 09.10.2017, aufgerufen am: 26.10.2022
2. European Medicines Agency. Reflection Paper: Formulations of choice for the paediatric population (EMEA/CHMP/PEG/194810/2005), 28.07.2006, aufgerufen am: 26.10.2022
3. European Medicines Agency. Background review for the excipient propylene glycol (EMA/CHMP/334655/2013), 20.11.2014, aufgerufen am: 26.10.2022
4. European Medicines Agency. Annex to the European Commission guideline on ‘Excipients in the labelling and package leaflet of medicinal products for human use’ (SANTE-2017-11668) (EMA/CHMP/302620/2017/DE) - Revision 2, 22.07.2022, aufgerufen am: 26.10.2022
5. Glasgow, A.M. et al., Hyperosmolality in small infants due to propylene glycol. Pediatrics, 1983;72(3):353-5.
6. MacDonald, M.G. et al., Propylene glycol: increased incidence of seizures in low birth weight infants. Pediatrics, 1987;79(4):622-5.