Diazoxid

Wirkstoff
Diazoxid
Handelsname
Proglicem®
ATC-Code
V03AH01

Zulassung
Dosierungsempfehlungen

Präparate
Pharmakodynamik und -kinetik
Nierenfunktionsstörungen
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Kontraindikationen
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Wechselwirkungen
Wirkstoffe der gleichen ATC-Klasse
Referenzen
Änderungsverzeichnis

Pharmakodynamik

Diazoxid ist ein nicht-diuretisch wirksames Benzothiadiazid-Derivat. Oral verabreichtes Diazoxid greift an den Beta-Zellen des Pankreas an und verursacht eine reversible Hemmung der Insulinausschüttung. Die hyperglykämische Wirkung beginnt innerhalb einer Stunde nach Verabreichung und persistiert normalerweise nicht länger als 8 Stunden bei Patienten mit einer normalen Nierenfunktion. Weiterhin kommt es nach oraler Diazoxid-Gabe zu einer vermehrten Freisetzung biogener Katecholamine, was zu einer Aktivierung von Adenylatzyklase führt und somit zu einer Anreicherung von zyklischem AMP im Gewebe. Zyklisches 3,5-AMP kann nun wiederum die Glykogensynthetase inaktivieren und die Glykogenphosphorylase aktivieren. Diese verschiedenen Mechanismen können synergistisch die Glukoseassimilation beeinflussen und führen zur oben beschriebenen Hyperglykämie.

Pharmakokinetik bei Kindern

Die Halbwertszeit bei Kindern im Alter von 4 Monaten bis 6 Jahren variiert zwischen 9,5 bis 24 h bei oraler Langzeitanwendung.
>90 % an Serum-Eiweiße gebunden.

Zulassung der Dosierungsempfehlungen

  • Kongenitaler Hyperinsulinismus
    • oral
      • ≥0 Jahre  bis <18 Jahre: zugelassen

Auszug aus Fachinformation Auszug aus Fachinformation

Textauszug aus Fachinformation

Oral zur Behandlung von abnorm erniedrigtem Zuckergehalt des Blutes (Hypoglykämie) verschiedener Herkunft empfohlen: Leucin-empfindliche Hypoglykämie; persistierende durch vermehrte Insulin-Sekretion-bedingte Hypoglykämien im Kindesalter(PHHI); funktionelle gut- und bösartige Inselzelltumoren; extrapankreatische Tumoren, die Hypoglykämien erzeugen; Hypoglykämien unbekannter Herkunft, bei denen jedoch ein erhöhter Insulinspiegel vorliegt.

Die Dosierung von Diazoxid muss den klinischen Erfordernissen (Schweregrad des hypoglykämischen Zustandes, Blutglukose-Spiegel und klinisches Ansprechen) des Patienten angepasst werden. Die Dosierung kann anfangs mit einer täglichen Dosis von 5 mg/kg Körpergewicht begonnen werden. Diese Dosis kann jedoch gesteigert werden, um den Blutzuckerspiegel auf normale Werte anzuheben und den Blutzuckermangelzustand zu beseitigen. Die Gesamtdosis sollte in 2 bis 3 Einzelgaben in 8- bis 12-stündigen Abständen verabreicht werden. Bei Kindern mit Leucin-sensitiver Hypoglykämie sind u. U. 15 bis 20 mg Diazoxid pro kg/Körpergewicht erforderlich. Auch diese Gesamtdosis soll in 2 bis 3 Einzelgaben über den Tag verteilt werden. In verschiedenen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass im Rahmen der Behandlung von PHHI bei den auf die Behandlung ansprechenden Patienten die wirksame Dosis stets geringer als 15 mg/kg KG war. Eine Dosisreduzierung ist bei Patienten mit herabgesetzter Nierenfunktion erforderlich.

[Ref.]

Präparate im Handel

Hartkapseln 25 mg, 100 mg

Präparat im Handel:

Präparat Darreichungsform Stärke (Diazoxid) Applikationsweg Natriumgehalt Problematische Hilfsstoffe Altersangabe
Proglicem® Hartkapseln 25 mg
100 mg
oral k.A. Lactose Kinder

k.A.: keine Angabe

Die Fachinformationen wurden am 02.07.2023 aufgerufen.

Anwendungshinweis: Die Hartkapseln sollten möglichst nach den Mahlzeiten eingenommen werden.

Lieferengpässe/weitere praktische Informationen

Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)

Dosierungsempfehlungen

Kongenitaler Hyperinsulinismus

Nierenfunktionsstörungen bei Kindern > 3 Monate

GFR ≥10 ml/min/1.73m2: Dosisanpassung nicht erforderlich.

GFR <10 ml/min/1.73m2: Eine allgemeine Empfehlung zur Dosisanpassung kann nicht gegeben werden.

Klinische Konsequenzen

Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist die Halbwertszeit von Diazoxid verlängert. Diazoxid wird jedoch immer entsprechend der Wirkung und den Nebenwirkungen dosiert; dies ist bei eingeschränkter Nierenfunktion nicht anders.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Kindern

Flüssigkeitsretention, Hypertrichose, pulmonale Hypertonie, Herzinsuffizienz und Neutropenie, die meisten Symptome klingen nach dem Absetzen der Therapie ab. Hirsutismus (Lanugotyp). Hyperurikämie, Thrombopenie.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen allgemein

Häufigkeit nicht bekannt: Schmerzen in der Brust, Fieber, Unwohlsein, Schwächegefühl, Kopfschmerzen, allergische Reaktionen, Angstgefühl, Schwindel, Schlaflosigkeit, Polyneuritis, Parästhesie, Störungen des extrapyramidalen Systems, Anorexie, diabetische Ketoazidose (schwerwiegend), hyperosmolares, nicht-ketotisches Koma (schwerwiegend), erhöhte Serum-Harnsäure-Spiegel, Hyperglykämie, Glukosurie, akute Pankreatitis, pankreatische Nekrose, Thrombozytopenie mit oder ohne Purpura, Neutropenie,  Leukopenie, Eosinophilie, reduzierter Hämoglobin-Wert oder verminderter Hämatokrit-Wert, exzessive Blutungen, Lymphadenopathie, Immunglobulinverminderung Typ IgG, vorübergehender Katarakt, subkonjunktivale Hämorrhagien, Ringskotom, verschwommenes Sehen, Diplopie, Tränenfluss, Hypotonie, Tachykardie, Palpitation, vorübergehende Hypertonie, Kardiomyopathie, Herzinsuffizienz, Übelkeit, Erbrechen, Abdominalschmerzen, Ileus, Diarrhö, vorübergehender Geschmacksverlust, Erhöhung der Glutamin-Oxalessigäure-Transaminase im Serum, Erhöhung der alkalischen Phosphatase, übermäßiger Haarwuchs des Lanugo-Typs v. a. bei Frauen u. Kindern, moniliale Dermatitis, Herpes, Verlust an Stirnhaar, Hautrötung, Pruritus,  Alopezie bei Kindern von Müttern, die während der Schwangerschaft langzeitig mit Diazoxid behandelt wurden, vorangeschrittene Knochenalterung, Gicht, Azotämie, verminderte Kreatinin-Clearance, Natrium-Wasser-Retention (manchmal schwerwiegend), reversibles nephrotisches Syndrom, verminderte Harnausscheidung, Hämaturie, Albuminurie, Galaktorrhö, Brustknotenvergrößerung (nicht spezifiziert)

Die vollständige Auflistung aller unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Kontraindikationen allgemein

  • Patienten mit Herzinfarkt
  • Patienten mit eingeschränkter Reservekraft des Herzens (eine Stauungs-Herzinsuffizienz könnte hervorgerufen werden)
  • Patienten mit idiopathischer, postprandialer Hypoglykämie (kein Vorliegen eines erhöhten Insulinspiegels)
  • Stillzeit

Die vollständige Auflistung aller Kontraindikationen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei Kindern

Vorübergehende Katarakte traten in Verbindung mit hyperosmolarem Koma bei Kindern auf, bildeten sich jedoch nach Behandlung der Hyperosmolarität zurück.

Bei Säuglingen und Neugeborenen wurde pulmonale Hypertonie beobachtet. Diese tritt vor allem bei Neugeborenen mit Risikofaktoren wie dem Mekoniumaspirationssyndrom, hyalines Membransyndrom, neonataler Tachypnoe, Pneumonie, Sepsis, kongenitaler Hernia diafragmatica und kongenitalen Herzerkrankungen auf. Bei Auftreten einer pulmonalen Hypertonie, sollte die Behandlung abgesetzt werden. Die pulmonale Hypertonie ist in den meisten berichteten Fällen nach dem Absetzen reversibel.

Vorsicht ist bei der Anwendung bei Neugeborenen mit erhöhtem Bilirubinspiegel geboten, da Diazoxid das Bilirubin aus seiner Eiweißbindung verdrängen kann.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein

Für allgemeingültige Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen informieren Sie sich bitte in den aktuellen Fachinformationen.

Wechselwirkungen

Diese Informationen werden im Moment recherchiert und baldmöglichst zur Verfügung gestellt.
Bitte beachten Sie die aktuellen Fachinformationen.

ALLE ÜBRIGEN THERAPEUTISCHEN MITTEL

In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.

Antidote

Flumazenil

Anexate®
V03AB25

Hydroxocobalamin - Antidot

Cyanokit®; Syn: Vitamin B12
V03AB33

Iodid - Hochdosis

Syn.: Jodid
V03AB21

Naloxon

Nyxoid®
V03AB15
V03AB14

Sugammadex

Bridion®
V03AB35
Eisen-Chelatbildner

Deferasirox

Exjade®
V03AC03

Deferipron

Ferriprox®; Syn: DFP
V03AC02

Deferoxamin

Desferal®; Syn: DFO
V03AC01
Mittel zur Behandlung der Hyperkaliämie und Hyperphosphatämie

Calciumacetat

Calcet®, Renacet®
V03AE07

Eisen(III)oxidsaccharat - oral

Velphoro®; Syn.: Eisenoxidsaccharat, Eisenoxidsucrose, Ferrioxidsaccharat, Eisen(III)hydroxid-Sucrose-Komplex, Sucroferric Oxyhydroxide
V03AE05

Sevelamer

Renagel®, Renvela®
V03AE02
Entgiftungsmittel für die Behandlung mit Zytostatika

Folinsäure

Leucovorin®
V03AF03
V03AF01

Referenzen

  1. Fafoula O, et al, Prolonged hyperinsulinaemic hypoglycaemia in newborns with intrauterine growth retardation, Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed, 2006, Nov;91(6), F467
  2. Hoe FM, et al, Clinical features and insulin regulation in infants with a syndrome of prolonged neonatal hyperinsulinism, J Pediatr, 2006, Feb;148(2), 207-1
  3. Giurgea I, et al, [Congenital hyperinsulinism in newborn and infant] L'hyperinsulinisme congenital du nouveau-ne et du nourrisson. , Arch Pediatr., 2005, Nov;12(11), 1628-3
  4. Tyrrell VJ, et al, Ten years' experience of persistent hyperinsulinaemic hypoglycaemia of infancy, J Paediatr Child Health., 2001, Oct;37(5), 483-8
  5. Ortqvist E, et al, Temporary preservation of beta-cell function by diazoxide treatment in childhood type 1 diabetes, Diabetes Care, 2004, Sep;27(9), 2191-7
  6. Yildizdas D, et al, Pulmonary hypertension, heart failure and neutropenia due to diazoxide therapy, Adv Ther, 2008, May;25(5), 515-9
  7. Nebesio TD, et al, Development of pulmonary hypertension in an infant treated with diazoxide, J Pediatr Endocrinol Metab, 2007 , Aug;20(8), 939-44
  8. MSD BV, SmPC Proglicem (RVG 06865), accessed 20 april 2011
  9. FDA Drug safety communications, FDA warns about a serious lung condition in infants and newborns treated with Proglycem (diazoxide), www.fda.gov, 16-7-2015
  10. MSD Sharp & Dohme GmbH, SmPC PROGLICEM® 25/100 mg Hartkapseln (6426992.01.00), 10/2021
  11. Deutsche Gesellschaft für Kinderendokrinologie und –diabetologie (DGKED) e.V., S1-Leitlinie – Diagnostik und Therapie des Kongenitalen Hyperinsulinismus (KHI), AWMF. https://register.awmf.org/assets/guidelines/174-012l_S1_Diagnostik-Therapie-Kongenitaler-Hyperinsulinismus-KHI_2020-01.pdf, 2020

Änderungsverzeichnis

  • 06 Juli 2023 09:19: Neue Monographie

Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)


Überdosierung