Flumazenil

Wirkstoff
Flumazenil
Handelsname
Anexate®
ATC-Code
V03AB25

Zulassung
Dosierungsempfehlungen

Präparate
Pharmakodynamik und -kinetik
Nierenfunktionsstörungen
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Kontraindikationen
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Wechselwirkungen
Wirkstoffe der gleichen ATC-Klasse
Referenzen
Änderungsverzeichnis

Pharmakodynamik

Das Imidazobenzodiazepin Flumazenil ist ein Benzodiazepin-Antagonist, der die zentralen Effekte von Präparaten, die ihre Wirkung über den Benzodiazepin-Rezeptor entfalten, durch kompetitive Hemmung spezifisch aufhebt. [Ref.] Tierversuche haben ergeben, dass die Wirkungen von Substanzen, die nicht über den Benzodiazepinrezeptor wirken (wie Barbiturate, GABA-Mimetika und Adenosinrezeptor-Agonisten), durch Flumazenil nicht blockiert werden. Die Wirkungen von Nicht-Benzodiazepin-Agonisten, wie Cyclopyrrolone (Zopiclon) und Triazolopyridazine, werden durch Flumazenil aufgehoben. [Ref.]
Die schlaffördernd-sedativen Wirkungen der Benzodiazepine werden nach intravenöser Injektion von Flumazenil rasch rückgängig gemacht (30 bis 60 Sekunden) und können innerhalb der folgenden Stunden allmählich von neuem auftreten, je nach Halbwertszeit und Dosisverhältnis zwischen Agonist und Antagonist. Flumazenil entfaltet möglicherweise eine schwache agonistische, d.h. antikonvulsive Eigenwirkung. [Ref.]

Pharmakokinetik bei Kindern

Die Halbwertszeit von Flumazenil bei Kindern über 1 Jahr ist etwas kürzer und variiert stärker als bei Erwachsenen, durchschnittlich beträgt sie 40 Minuten (im Allgemeinen variierend zwischen 20 und 75 Minuten). Die Clearance und das Verteilungsvolumen, nach kg Körpergewicht, sind dieselben wie bei Erwachsenen. [Ref.]

Zulassung der Dosierungsempfehlungen

  • Antagonisierung der durch Benzodiazepine oder Zopiclon verursachten Sedierung
    • intravenös
      • ≥1 Monat bis <1 Jahr: off-label
      • ≥1 Jahr bis <18 Jahre: zugelassen

Auszug aus Fachinformation Auszug aus Fachinformation

Textauszug aus Fachinformation

Intravenös zur Aufhebung der durch Benzodiazepine herbeigeführten Sedierung bei Kindern älter als ein Jahr

Kinder über 1 Jahr:

  • Zur Aufhebung einer durch Benzodiazepine herbeigeführten Sedierung bei Kindern über 1 Jahr beträgt die empfohlene Initialdosis 0,01 mg/kg (bis zu 0,2 mg), welche über 15 Sekunden intravenös zu verabreichen ist.
  • Wird der gewünschte Bewusstseinsgrad nicht innerhalb von 45 Sekunden erreicht, kann eine weitere Dosis zu 0,01 mg/kg (bis zu 0,2 mg) injiziert werden.
  • Dieses Vorgehen lässt sich bei Bedarf in Abständen von 60 Sekunden wiederholen (maximal 4 Mal), bis eine maximale Gesamtdosis von 0,05 mg/kg oder 1 mg erreicht wird, abhängig davon, welche die niedrigste Dosis ist.
  • Die Dosis sollte individuell nach dem Ansprechen des Patienten ermittelt werden.
  • Zur Sicherheit und Wirksamkeit der wiederholten Gabe von Flumazenil bei Kindern zur erneuten Sedierung liegen keine Daten vor.

Kinder unter 1 Jahr:

  • Für die Anwendung von Flumazenil bei Kindern unter 1 Jahr liegen keine hinreichenden Daten vor. Daher darf Flumazenil bei Kindern unter 1 Jahr nur angewendet werden, wenn der potentielle Nutzen größer ist als die möglichen Risiken.

[Ref.]

Präparate im Handel

Injektions-/Infusionslösung 0,1 mg/ml

Parenterale Anwendung

Die folgenden Präparate sind ausschließlich zur intravenösen Anwendung zugelassen.

Präparate im Handel (ausgewählte Beispiele):

Präparat Darreichungsform Stärke
Natriumgehalt Problematische Hilfsstoffe
Flumazenil-hameln Injektions-/Infusionslösung 0,1 mg/ml ca. 3,7 mg Natrium pro ml Flumazenil-Injektions-/Infusionslösung -
Anexate® Injektionslösung 0,1 mg/ml weniger als 1 mmol (23 mg) Natrium -

 

Anwendungshinweis:

  • Flumazenil wird nur zur intravenösen Anwendung (intravenöse Injektion oder i.v. Infusion) empfohlen und sollte nur durch einen Anästhesisten oder einen erfahrenen Arzt verabreicht werden.
  • Flumazenil kann gleichzeitig mit anderen Reanimationsmaßnahmen eingesetzt werden.
  • Nach dem ersten Öffnen sollte das Arzneimittel unverzüglich angewendet werden.
  • Die chemische und physikalische Stabilität der gebrauchsfertigen Zubereitung wurde für 24 Stunden bei 25 °C nachgewiesen.
  • Aus mikrobiologischer Sicht sollte das Arzneimittel sofort angewendet werden. Wenn die gebrauchsfertige Zubereitung nicht sofort eingesetzt wird, ist der Anwender für die Dauer und die Bedingungen der Aufbewahrung verantwortlich. Sofern die Verdünnung nicht unter kontrollierten und aseptischen Bedingungen erfolgt, ist diese nicht länger als 24 Stunden bei 2 bis 8 °C aufzubewahren.
  • Nicht über 25°C lagern. Nicht einfrieren. Die Ampullen im Umkarton aufbewahren, um den Inhalt vor Licht zu schützen.
  • Dieses Arzneimittel ist nur zur einmaligen Anwendung vorgesehen und nicht verbrauchte Lösung ist zu verwerfen.
  • Bei Verwendung von Flumazenil als Infusion muss das Arzneimittel vor der Infusion verdünnt werden. Flumazenil darf nur mit Natriumchloridlösung 9 mg/ml (0,9 %), Glucoselösung 50 mg/ml (5 %) oder Natriumchloridlösung 4,5 mg/ml (0,45 %) + Glucoselösung 25 mg/ml (2,5 %) (10, 20, 50 ml Flumazenil 0,1 mg/ml in 500 ml Lösung) verdünnt werden.

[Ref.]

Lieferengpässe/weitere praktische Informationen

Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)

Dosierungsempfehlungen

Antagonisierung der durch Benzodiazepine oder Zopiclon verursachten Sedierung
  • Intravenös
    • 1 Monat bis 18 Jahre
      [2]
      • 0,01 mg/kg/Dosis, bei Bedarf nach 1 Minute wiederholen (maximal 4 x wiederholen). Max: 0,05mg/kg/Tag Maximale Einzeldosis: 0,2 mg/Dosis.
      • Maximale kumulative Dosis: 1 mg/Tag

        <1 Jahr: off-label

Nierenfunktionsstörungen bei Kindern > 3 Monate

Keine Informationen zur Dosisanpassung bei Nierenfunktionsstörung vorhanden.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen allgemein

Folgende UAW wurden sehr häufig, häufig oder gelegentlich beobachtet (≥0,1 %):

  • allergische Reaktionen
  • Angstzustände, Affektlabilität, Schlaflosigkeit, Somnolenz
  • Schwindel, Kopfschmerz, Erregtheit, Tremor, Mundtrockenheit, Hyperventilation, Sprachstörungen, Missempfindungen (Parästhesie)
  • Krampfanfälle
  • Diplopie, Strabismus, gesteigerter Tränenfluss
  • Hörstörungen
  • Herzklopfen, Tachykardie oder Bradykardie, Extrasystolen
  • Hautrötung, Hypotonie, orthostatische Hypotonie, vorübergehend erhöhter Blutdruck (beim Aufwachen)
  • Dyspnoe, Husten, Verstopfung der Nase, Brustschmerzen
  • Übelkeit und Erbrechen (während der Anästhesie), Schluckauf
  • Schwitzen
  • Schmerzen an der Injektionsstelle, Zittern

Folgende schwerwiegende UAW wurden zudem selten, sehr selten (<0,1 %) oder mit unbekannter Häufigkeit beobachtet:

  • schwere Überempfindlichkeitsreaktionen (einschließlich Anaphylaxie)

[Ref.]

Die vollständige Auflistung aller unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Kontraindikationen allgemein

  • Einsatz von Benzodiazepinen zur Beherrschung eines potentiell lebensbedrohlichen Zustandes (z.B. intrakranielle Druckregulierung oder Status epilepticus) [Ref.]
  • postoperativ anhaltende atemdepressive Effekte der Opiate bei bereits bestehender Bewusstseinsklarheit [Ref.]

Die vollständige Auflistung aller Kontraindikationen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei Kindern

  • Wegen möglicher erneuter Sedierung und Atemdepression, sollten Kinder, die zuvor mit Midazolam sediert wurden, mindestens 2 Stunden nach der Flumazenil-Gabe beobachtet werden. Falls andere Benzodiazepine zur Sedierung angewendet wurden, muss der Überwachungszeitraum entsprechend der erwarteten Wirkdauer angepasst werden. [Ref.]

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein

  • Besondere Vorsicht ist beim Einsatz bei Mischintoxikationen geboten. Insbesondere bei Fällen von Intoxikationen mit Benzodiazepinen und zyklischen Antidepressiva können durch die Anwendung von Flumazenil bestimmte toxische Effekte der Antidepressiva, wie Krampfanfälle und Herzrhythmusstörungen, die durch die gleichzeitige Gabe mit Benzodiazepinen weniger stark ausgeprägt sind, verschlimmert werden. [Ref.]
  • Da die Wirkdauer von Flumazenil gewöhnlich kürzer ist als die der Benzodiazepine können Benzodiazepin-bedingte Effekte wie Sedierung und Atemdepression erneut auftreten, daher sollte der Patient weiterhin engmaschig überwacht werden, bis die Wirkung des Flumazenils voraussichtlich abgeklungen ist. Dies sollte vorzugsweise auf einer Intensivstation geschehen. [Ref.]
  • Die Anwendung wird bei Patienten mit Epilepsie, die längere Zeit mit Benzodiazepinen behandelt wurden, nicht empfohlen, da die abrupte antagonistische Wirkung Krampfanfälle bei Epileptikern auslösen kann. [Ref.]

Die vollständige Auflistung aller Warnhinweise ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Wechselwirkungen

Die standardisierte Wechselwirkungsrecherche des Kinderformulariums führte zu keiner klinisch relevanten Interaktion.


Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen und einschlägigen Wechselwirkungsdatenbanken zu entnehmen.

ALLE ÜBRIGEN THERAPEUTISCHEN MITTEL

In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.

Antidote

Hydroxocobalamin - Antidot

Cyanokit®; Syn: Vitamin B12
V03AB33

Iodid - Hochdosis

Syn.: Jodid
V03AB21

Naloxon

Nyxoid®
V03AB15
V03AB14

Sugammadex

Bridion®
V03AB35
Eisen-Chelatbildner

Deferasirox

Exjade®
V03AC03

Deferipron

Ferriprox®; Syn: DFP
V03AC02

Deferoxamin

Desferal®; Syn: DFO
V03AC01
Mittel zur Behandlung der Hyperkaliämie und Hyperphosphatämie

Calciumacetat

Calcet®, Renacet®
V03AE07

Eisen(III)oxidsaccharat - oral

Velphoro®; Syn.: Eisenoxidsaccharat, Eisenoxidsucrose, Ferrioxidsaccharat, Eisen(III)hydroxid-Sucrose-Komplex, Sucroferric Oxyhydroxide
V03AE05

Sevelamer

Renagel®, Renvela®
V03AE02
Entgiftungsmittel für die Behandlung mit Zytostatika

Folinsäure

Leucovorin®
V03AF03
V03AF01
Mittel zur Behandlung der Hypoglykämie

Diazoxid

Proglicem®
V03AH01

Referenzen

  1. Rademaker C.M.A. et al, Geneesmiddelen-Formularium voor Kinderen [Arzneimittel-Formularium für Kinder], 2007
  2. SPC Flumazenil 0,1 mg/ml (08/05/2005), RVG 25920
  3. Cheplapharma, SmPC Anexate® 0,5 mg/5 ml Injektionslösung (14747.00.00), 10/2018
  4. Hameln Pharma Plus, SmPC Flumazenil-hameln® 0,1 mg/ml Injektionslösung und Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung (63155.00.00), 04/2020

Änderungsverzeichnis

  • 15 Januar 2021 11:20: Neue Recherche: Zulassung und Präparate, unerwünschte Arzneimittelwirkungen
  • 16 Mai 2019 17:03: Neue Monographie

Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)


Überdosierung